Virtuelle Marktplätze

Bestellungen sind virtuelle Güter, die auf virtuellen Marktplätzen gehandelt werden. Marketingmöglichkeiten, Werbeplätze, Übersetzungen, Dienste, Zugangsmöglichkeiten und viele andere Güter werden auf virtuellen Marktplätzen ausgetauscht. Mit der Arbeitsteilung und dem Zukauf fremder Leistungen bildet sich ein enormes Volumen für virtuelle Marktplätze, die keine Entsprechungen in der realen Welt haben.

Auf dem Marktplatz im engeren Sinne tauschen Anbieter und Nachfragender ökonomische Güter aus, also Waren oder Dienste. Virtuelle Marktplätze bedeuten eine spezielle Interpretation für das Web-Business – hier werden keine physischen Waren getauscht.

Mit der Trennung von Gut und Information über das Gut wird der Marktplatz virtuell; die Übergabe der Güter wird hier nicht vollzogen. Im Web-Business kommt es zu Bestellungen für physische Güter, mit denen der Tausch vereinbart wird. Der Eigentumsübergang findet aber außerhalb des Webs statt. Lediglich im Hinblick auf digitale oder virtuelle Gütern kann das Geschäft im Web zu Ende geführt werden. Diese Güter werden nicht übergeben, sondern vermehrt.

Auf virtuellen Marktplätzen werden Bestellungen gehandelt. Das macht sie zu einem Marketingtool wie die Website, die Suchmaschine, die Werbeplattform, den Newsletter, das Videoportal oder das Affiliate-Netzwerk. Für den Verkäufer ist der virtuelle Marktplatz einer Rentabilitätsrechnung und eines Vergleichs mit anderen Marketingangeboten zugänglich. Im Controlling kann er die Effizienz mit einfachen Kennzahlen vergleichen. Wenn wir im Bild des Einkaufs von Bestellungen bleiben, sind die Kosten ein Vergleichskriterium. In einer differenzierten Betrachtung werden Kennzahlen wie Kosten zu Rohertrag verwendet, wenn die Plattformen spezielle Güter wie E-Books oder Musikstücke, Zugänge oder Anmeldungen exklusiv vermarkten.

 

Fallbeispiel Ebay

Ebay ist heute der weltweite Marktführer für On­line-Auktionen. 1995 begann das Unternehmen in Kalifornien als Marktplatz für den Austausch von Sammlerartikeln, speziell den PEZ-Spendern. Seitdem hat Ebay sich sehr rasch zum weltgrößten Marktplatz entwickelt, vor allem für den Verkauf von gebrauchten Gütern. Das Unternehmen ist seit seiner Gründung im Jahre 1996 durchgehend profitabel. In Deutschland finanziert sich Ebay über eine Angebotsgebühr sowie eine Provision in Höhe von zehn Prozent, die der Verkäufer bei einem erfolgreichen Verkauf bezahlt.

Abbildung Ebay Entwicklung der aktiven Teilnehmer | Web-Business

Abbildung Ebay Entwicklung der aktiven Teilnehmer

Ebay umfasst zum heutigen Stand (2014) 128 Mio. aktive Mitglieder weltweit. Das Wachstum der Ebay-Teilnehmer ist in den letzten Jahren abgeflacht. Dennoch steigt der Umsatz weiter an, was einer erhöhten Aktivität der registrierten Teilnehmer zu verdanken ist. Der resultierende Umsatz für Ebay aus Provisionen und Diensten stieg 2013 auf 11 Mrd. $ gegenüber 9,86 Mrd. $ in 2012. Der Nettogewinn daraus betrug 2,86 Mrd. Dollar. Soweit zu den beeindruckenden wirtschaftlichen Daten.

Die Reichweite der Plattform ist allerdings seit 2013 rückläufig; von unter 100 Mio. Besucher pro Monat auf rd. 60 Mio. Besucher. Die Zahl der Teilnehmer wächst langsamer, woraus sich die Annäherung an die Potenzialgrenze ableiten lässt. Ebay hat dieses abflachende Wachstum im Rohertrag mit einer Übernahme der Zahlungsplattform PayPal kompensiert. Das bestehende Kundenvolumen wurde für ein Wachstum in neue Potenziale genutzt. So konnten die Teilnehmerzahl und der Rohertrag in den letzten Jahren erneut deutlich gesteigert werden.

Abbildung Ebay Gewinne | Web-Business

Abbildung Ebay Gewinne

In den ersten 10 Jahren nach der Gründung zeigte Ebay ein rasantes Wachstum im Hinblick auf die Teilnehmerzahl. Die Zahl der aktiven Teilnehmer hat nach dem Anfangsstadium ab dem Jahr 2000 etwa um das 5,5-fache bis zur ersten Sättigung im Jahre 2006 zugenommen. Der Profit ist jedoch in der gleichen Zeit um das 14-fache gewachsen. Die Erklärung für das überproportionale Gewinnwachstum bietet der Netzeffekt auf der Plattform. Ebay ist vor allen Dingen eine Community, deren Mitglieder das gleiche Interesse zum Kauf und Verkauf von Gütern verbindet. Damit ist die Interaktion als ein Charakteristikum des Webs in das Geschäftsmodell integriert. Der Synchronisationswert spiegelt sich in den Umsatzsteigerungen wider.[1]

Der Netzeffekt bei Ebay kommt aufgrund der Interaktion zwischen den Partnern zustande. Das ist das Besondere, denn Kommunikation gab es zuvor bereits auf einem einfacheren Level bei der Verbindung von einzelnen Personen in einem Dialog oder bei einer zentralen Versendung von Informationen. Mit dem Web wurde die Massenkommunikation mit der Interaktion kombiniert. Ebay macht sich den Vorteil des Mediums zunutze und legt damit die Grundlage, auf der dieses mit dem Web wächst und die Wettbewerber überflügelt. Die Plattform realisiert:

  • eine schnelle zeitversetzte Kommunikation
  • für Akteure mit Computern,
  • die bis zum Geschäftsabschluss einander unbekannt bleiben.

Ebay hat diese Charakteristika in sein Geschäftsmodell integriert und wurde so von der Dynamik des Webs mitgetragen. Jeden Tag werden in Tausenden von Kategorien Millionen von Artikeln angeboten. Ebay verbindet Akteure auf regionaler, nationaler und globaler Ebene. Die Basis des Geschäftes ist das Online-Auktionsverfahren, durch das Ebay weltbekannt wurde. Inzwischen ist auf Ebay auch der Handel zu Festpreisen möglich. Dabei kann der Verkäufer entweder das Auktionsformat mit einer „Sofort-Kaufen“-Option kombinieren oder aber seinen Artikel ausschließlich zu einem reinen Festpreis anbieten. So wurde das Business von der Auktion auf eine „normale“ Shopping-Plattform ausgeweitet und tritt damit als direkte Konkurrenz zu anderen Marktplätzen auf. In Ebay-Shops betreiben Händler ein eigenes virtuelles Ladengeschäft. Der Shop wird von jedem Teilnehmer individuell gestaltet. Innerhalb seines Verkaufsraums definiert der Betreiber nach seinen eigenen Vorstellungen unterschiedliche Kategorien und bringt darin seine Artikel unter.

Ebay hatte als Vorreiter (First Mover) ein starkes Wachstum und hat das Potenzial genutzt, um mit dem Kundenstamm und den registrierten Benutzern neue Dienste zur Ausweitung des Geschäftes auf der etablierten Plattform anzubieten. Dazu zählen auch der Verkauf von Werbeplätzen und das Marketing mit den Profilen der Teilnehmer. Die Geschäftsmodelle werden meist nicht durch eigene Entwicklungen vorangetrieben, sondern durch den Zukauf und die Integration von innovativen Unternehmen – Alando, Mobile.de, Skype, Afterbuy, Brands4Friends und mit dem größten synergetischen Potenzial: PayPal.

 

[1] Peters verwendet diesen Begriff für den bei ihm so genannten positiven Netzwerkeffekt (vgl. Peters 2010: S. 35)

In einer Gegenüberstellung zum realen Marktplatz wird die Aufgabe des virtuellen Marktplatzes zur Vermittlung der Güter noch deutlicher.

Tabelle Gegenüberstellung der Marktplätze

Abgesehen von einem Bauernmarkt oder einem Flohmarkt gibt es in der traditionellen Ökonomie keinen realen Marktplatz. Er hat sich zu einer Fiktion oder virtuellen Institution wie der Homo oeconomicus, der Wettbewerb oder die Freizeit entwickelt. Der Marktplatz hat keine ökonomische Entsprechung in der realen Welt, denn der Konsument bewegt sich entweder zum Verkaufsort oder lässt sich Informationen über Kataloge schicken, oder der Verkäufer besucht den Kunden, schreibt Angebote und wartet auf Bestellungen.

Einen Betreiber eines realen Marktplatzes gibt es nicht, anders als im Web. Das Web-Business ökonomisiert die Idee des Marktplatzes, wie es die Freizeit ökonomisiert, die Freundschaften, die Unterhaltung, den Informationszugang, das Shopping oder die Suche nach Urlaubsorten.

Im Web-Business bewegen sich die Betreiber von Marktplätzen – hier verdienen sie Geld. Der Verkaufsort wurde mit der Web-Plattform zur Vermittlung von Kunden und Anbietern wieder eingeführt.

Das ökonomische Ergebnis dieser Plattformen sind Bestellungen, die letztlich von den Anbietern gekauft werden. Damit entstehen erneut Erwartungen an die Marktplätze, die im Web-Business konkret vom Betreiber des Marktplatzes erfüllt werden. Im Vergleich der Prozesse des Absatzes wird deutlich, welche Aufgaben bis zum Eingang der Bestellung abzuarbeiten sind. Der Einkauf von Bestellungen ist letzten Endes die Substitution von Arbeit durch fremde Dienstleistungen. Im Sinne der virtuellen Produktion sind die Bestellungen virtuelle Güter, die mit einer Kombination von Arbeitseinsatz und Know-how hergestellt werden. Die Kosten in der Produktion sind unter den Randbedingungen der Web-Technik zu minimieren. 

Der Anbieter steht also vor der gleichen Entscheidung wie bei der Produktion aller virtuellen Güter: Soll die Leistung selbst erbracht oder fertige Güter (hier Bestellungen) zu variablen Kosten zugekauft werden? Die Aufgaben für den Betreiber des virtuellen Marktplatzes gleichen denjenigen eines Anbieters im Web-Business, der seine Güter eigenständig verkauft. Alle Stufen der Konversionspyramide hat der Marktplatz zur Akquisition ebenso zu durchlaufen wie der einzelne Anbieter. Das geht entlang der Prozesse im Absatz von der Segmentierung der Zielgruppe über die Besucherakquisition bis hin zur Vereinbarung der Details einer Bestellung.

Virtuelle Marktplätze spezialisieren sich häufig auf Güter- oder Kundengruppen und können deshalb die Segmentierung günstiger erzielen als der einzelne Anbieter. Das beeinflusst die Entscheidung zwischen dem eigenen Marketing und dem Zukauf von Besuchern von einem virtuellen Marktplatz.

Tabelle Make or Buy

Das Controlling und die Optimierung auf virtuellen Marktplätzen haben im Web-Business ihre Besonderheiten. Diese führen oft dazu, dass nur einzelne Stufen ausgelagert und wichtige Teilbereiche selbst durchgeführt werden, um die Effizienz und die Qualität zu sichern. Wenn der Betreiber beispielsweise erfolgreich Stammkunden aufgebaut hat, die direkt auf die Website zugreifen, sollte er sie nicht indirekt den Affiliates überlassen und dafür nochmal Provisionen zahlen. Das geschieht, wenn die Kooperationspartner mit dem Brandnamen oder der URL des Anbieters werben.

Fallbeispiel Modelabel

Die Frühjahrskollektion für das nächste Jahr steht, die Modenschau war ein Erfolg. Gegen Ende der kreativen Phase wird es immer hektisch, das scheint zu Ernesto Pienzes Beruf zu gehören, seit er sein Modelabel „Bocco“ im Markt der Damenbekleidung positioniert. Die Waren liegen in einem mittleren Preissegment und werden weltweit über Boutiquen, Kaufhäuser und ausgewählte Flagship-Stores vermarktet. Das Unternehmen floriert und expandiert in neue Märkte und Produktgruppen.

Vor einigen Jahren hat Ernesto von einem Freund den Kontakt zu einem Full-Service-Logistiker bekommen, der seine Waren über das Web vermarktet. An der Idee gefiel ihm besonders, dass er nichts organisieren muss. Der Dienstleister macht alles für ihn. Er betreibt den Webshop, übernimmt das gesamte Marketing im Web und allen Online-Medien, kümmert sich um die Kundenakquisition, die Zahlungsabwicklung und das Forderungsmanagement. Er liefert die Waren aus und nimmt die Retouren an, schreibt Gutschriften oder Mahnungen und am Ende des Monats liefert der Logistiker das eingenommene Geld abzüglich einer Provision von 30%. Das hält Ernesto für angemessen und freut sich immer wieder über die Berichte und den Geldeingang. „Alles prima“, denkt er sich.

Sein Umsatz im Web nimmt von Jahr zu Jahr zu, sogar viel stärker als der Umsatz in seinen sonstigen Vertriebskanälen. Seit zwei Jahren geht der Umsatz insgesamt zurück ‒ das macht ihn stutzig, denn die Arbeitsbelastung ist im Unternehmen sogar angestiegen. Er bietet seine Ware in weiteren Boutiquen und Ketten von Kaufhäusern an; trotzdem schreibt er Verluste im gesamten Geschäft. Der Web-Dienstleister berichtet noch immer von ordentlichen Umsätzen und er schaut sich die Berichte einmal genauer an. Er will wissen, wie der Umsatz über den Logistiker zustande kommt. Sein Assistent Filipo macht eine Auswertung mit der Veränderung zum Vorjahr:

Ernesto hat ein mulmiges Gefühl. Er ist kein Zahlenmensch aber ein schlauer Kaufmann, also bittet er Filipo und einige Freundinnen darum, in dem Webshop einzukaufen und zu berichten, was sie für Erfahrungen machen. Das Ergebnis schmettert ihn nieder.

Der Webshop holt die Interessenten fast nur mit der bekannten Marke „Bocco“, bei Damenblusen oder modischen Accessoires ist er über die Werbung nicht zu finden. Das bedeutet, dass die Interessenten seine Marke schon kennen, Stammkunden sind und nicht wirklich neu akquiriert werden. Denn wer nach „Bocco“ sucht, weiß was er erwartet. Leider werden diese Erwartungen aber gänzlich enttäuscht.

Der Shop ist schlecht zu bedienen, die Suche funktioniert nicht, und der Warenkorb ist nicht auffindbar. Die Bilder der Kleider sind gut, aber leider stimmen die Preise nicht überall mit den beworbenen Preisen überein. Bei der Hotline läuft der Interessent auf ein Call-Center, die „Bocco“ eigentlich nicht kennen. Die meisten Interessenten springen dann wieder ab und behalten „Bocco“ außerdem noch in schlechter Erinnerung. Das verstärkt den schlechten Einfluss auf die Marke, die nun auch in den Boutiquen und Läden gemieden wird. Aus den Berichten geht das nicht hervor.

Jetzt wird Ernesto vieles klar. Bei einer kompletten Auslagerung seines Geschäftes lagert er auch die Qualität des Marketings aus. Der Dienstleister macht keine Analysen, welche Potenziale er hätte und nicht realisiert hat. Ernesto bekommt keine Rückmeldung über die verpassten Chancen und die Beschwerden der Kunden. Über mangelnde Qualität wird nicht berichtet.

Auf virtuellen Marktplätzen sucht der Anbieter nach Kundensegmenten, die seine eigenen Aktivitäten ergänzen. Diese von ihm gesuchte Kundengruppe ist nur ihm unbekannt, andere haben das Segment bereits identifiziert. Von diesen Kooperationspartnern werden die Interessenten gekauft.