Transaktionskosten

Ziel des Kunden, Käufers oder Nutzers im Web-Business ist die Befriedigung seines Nutzens. Im Web kauft er hierfür Produkte, kombiniert sie mit Diensten und vervollständigt sie mit eigenen Leistungen. Der Verkäufer sieht seinen Aufwand darin, die Zielgruppe zu finden, sein Angebot zu präsentieren, Verträge abzuschließen und alle Verkaufsprozesse abzuwickeln. Die Transaktionskosten sind zwischen den Parteien angesiedelt und lassen sich mit dem Web auf beide Seiten verteilen. Das Web reduziert den Koordinationsaufwand.

Mit Interaktion zwischen den Teilnehmern werden die Möglichkeiten des Internets ausgenutzt, weil jeder neue Teilnehmer sofort auf das Potenzial der bisherigen Verbindungen im Netzwerk zugreifen kann. Er profitiert von den Netzeffekten, die ein überproportionales Wachstum der Kommunikationsmöglichkeiten offerieren.[1] Alle charakteristischen Eigenschaften des Internets führen zum für Ökonomen interessanten Phänomen des steigenden Grenznutzens. Jeder neue Teilnehmer steigert die Attraktivität des Netzwerkes und erhöht damit den Nutzen für alle Partner im Netzwerk.

Die traditionelle Ökonomik untersucht Einsatzfaktoren, die fallende Grenzerträge aufweisen. Nach einer Phase steigender Erträge zu Beginn einer Neuerung oder Prozessverbesserung nimmt der Nutzen beim vermehrten Einsatz eines Faktors ab.[2]

Für den Einsatz von Information und Wissen gilt das nicht. Bessere Informationen steigern die Produktivität im Prozessablauf. Wissen wird akkumuliert und genutzt, aber nicht verbraucht. Der Aufbau von Wissen steigert den Ertrag überproportional. Arbeit wird effizienter, wenn sie mit Know-how angereichert wird und im Sinne der Produktionstheorie ein Output durch die optimale Kombination der beiden Faktoren hergestellt wird. Der Einsatzfaktor Information und Wissen hat steigende Grenzerträge.

Da Informationen im Internet einfach und praktisch zum Nulltarif beschafft werden, eröffnet das Medium ein neues Potenzial zur Herstellung von Produkten und Diensten. Wie bei jeder Innovation der Neuzeit zwingt der Wettbewerb der Unternehmen die Technik in die Herstellungsprozesse.[3] Der Unternehmer, der die Entwicklung ignoriert oder bewusst nicht einsetzt, wird das Nachsehen haben, in  Wettbewerbsnachteil zu geraten, Verluste zu erwirtschaften und seinen Marktanteil den Innovatoren zu überlassen.

Ein Teil der Management-Literatur sucht eine Antwort auf die folgende Frage: Wie werden neue technische Potenziale erkannt und in den Prozessen des Unternehmens eingesetzt? In der Essenz dieser Beiträge geht es darum, neue Potenziale zur Senkung der Kosten oder zur Steigerung der Erträge auszuschöpfen.[4] Dabei wird nie die Grundsatzfrage gestellt, ob der Einsatz neuer Techniken anzuraten ist, sondern lediglich, mit welchen Maßnahmen unter den jeweiligen Randbedingungen möglichst schnell der Anschluss an die Spitze der Technik erzielt wird. Zur Realisierung der Potenziale werden in jedem Unternehmen die Prozesse neu zusammengestellt und optimiert.[5]

In den Unternehmen werden häufig mit hohen Investitionen die Spezialisierungen der Arbeitskräfte, Abteilungen und Unternehmenseinheiten vorangetrieben. Das wird teilweise nicht nur im Unternehmen selbst neu organisiert, sondern auch auf externe Dienstleister übertragen. Diese realisieren die in der Illustrationsbox zur kostenminimalen Substitution beschriebene optimale Kombination von Arbeits- und Koordinationskosten nicht nur für einen Kunden, sondern für viele Unternehmen. Deshalb erreichen sie für eine standardisierte Dienstleistung steigende Skalenerträge.[6] 

Mit Blick auf die Spezialisierung war das Ziel, die Arbeitspakete soweit zu reduzieren, dass später der Arbeitsplatz ganz eingespart werden konnte. Dabei half die Computertechnik. Die Aufgabe des Managements bestand in der Folge darin, den Koordinationsaufwand zu reduzieren. Mit dem Internet wird ein neues Potenzial von vielfältigen und effizienten Kommunikationsverbindungen angeboten, die den Transaktionsaufwand erheblich reduzieren. Somit werden komplexere Teilaufgaben wie das Marketing und der Verkauf im Web, der Zahlungsverkehr, der Kundensupport oder die Logistik ausgelagert. Aus Sicht des Unternehmens wird der Vorgang als Outsourcing bezeichnet.

Fallbeispiel Modehaus

Die Handelsstudentin Sabine Senkel absolviert ein Praktikum in einem Modegeschäft. Sie lernt hier die Ökonomie in der Praxis kennen und vergleicht die zuvor in der Theorie erlernten ökonomischen Aufgaben nun mit dem Web-Business speziell für dieses Unternehmen. Der Juniorchef hat ihr aufgetragen, Überlegungen anzustellen, wie das Geschäft im Web abgewickelt werden kann und ob die Variante kostengünstiger ist.

Sabine Senkel schaut auf die Ertragsseite und überlegt, womit das Modehaus Geld verdient. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob der Verkaufsumsatz der Erlös des Modehauses ist. Das verfälscht das Ergebnis ihrer Reflexion, denn mit der Produktion der Güter hat das Unternehmen gar nichts zu tun. Sie werden zwar eingekauft, die Produktion der Modeartikel ist jedoch von dem Händler praktisch nicht zu beeinflussen, mit anderen Worten: das ist nicht seine Produktions- und Kostenfunktion.

Der Erlös des Modehauses ist die Marge, die Spanne zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis. Hier setzt sie mit ihren Überlegungen zum Web-Business an.

Für die Erwirtschaftung des Erlöses arbeiten im Modehaus verschiedene Abteilungen zusammen: Einkauf, Marketing, Buchhaltung, Verkauf, Lager, Design, Management. Sabine hat die Einsatzfaktoren sortiert und „Arbeit“ und „Wissen“ als primäre Aspekte markiert. Im Zuge dieser groben Einteilung denkt sie nun darüber nach, wie die Erträge gesteigert und die Transaktionskosten im Web-Business gesenkt werden können.

Für die Abwicklung der Bestellungen braucht die Ware nicht ausgepackt zu werden. Der Chef spart dafür die Logistik, die Warenwirtschaft und die Einrichtung des Ladens. Er braucht weniger Fachkräfte im Modehaus aber er muss einen Webmaster mit Know-how und technischem Wissen bezahlen.

Die Buchhaltung wird ausgelagert. Das Marketing übernimmt eine Agentur. Lagerkosten werden eingespart. Ein Teil des Ladengeschäftes wird verpachtet, den Zahlungsverkehr wickelt ein Dienstleister ab, und das Risiko wird versichert.

Das geht sicher nicht alles zugleich, aber nach und nach wird sich die Kostenstruktur des Modehauses mit den Produktivitäten der Einsatzfaktoren verändern. Das Unternehmen findet sich in neuen Rahmenbedingungen des Webs wieder und kann die Struktur zu seinem Vorteil nutzen.

Nach der Startphase im Web-Business werden die Prozesse optimiert, die Lerneffekte treten ein. Die Verkaufs- und Logistikprozesse werden flüssiger und das Personal wickelt deutlich mehr Bestellungen in der gleichen Zeit ab.

Mit den ersten Stammkunden baut sich ein Bestand in der Datenbank auf, der dann mit Informationen kostenlos versorgt wird. Die Stammkunden schicken nicht besonders viel zurück, bezahlen pünktlich und kennen die Ansprechpartner.

Die Kunden und Interessenten sollen selbst ihre Kommentare auf der Website unterbringen, eigene Kombinationen empfehlen, andere bewerten und sich im Netz austauschen. Das verursacht wenig eigenständige Arbeit und hält den Namen im Gespräch.

Für das Web-Business kann das Konzept der Transaktionskosten in der Leistungserstellung erweitert werden, wenn die Transaktionskosten für den Käufer miteinbezogen werden. Der Käufer ist in die eigene Arbeit bei der Nutzenerstellung hineingewachsen. Er bedient sich selbst, schraubt selbst Möbel zusammen, führt einen Teil der Bankdienstleistungen selbst durch, checkt selbst ein, benutzt Software-Konfiguratoren und lädt Updates nach. Die Individualisierung eines Standardgutes obliegt dem Nutzer und verursacht bei ihm Transaktionsaufwand.

Der Käufer will einen Nutzen befriedigen, dabei sind die Güter nur Mittel zum Zweck. Der Nutzen wird beim Käufer in der Regel erst durch eine Vielzahl von Produkten, Dienstleistungen und eigenen Aufwand generiert. Der Anwender sucht die Bezugsquellen aus, vergleicht die Preise und stellt verschiedene Güter zusammen, die seinen Nutzen befriedigen. Für eine Urlaubsreise kombiniert er ein Bündel aus Unterkunft, Reisen, Versicherungen, Mietwagen, Verpflegung und Entertainment. Jede einzelne Position verursacht Transaktionskosten, die gesamten Leistungen müssen koordiniert werden. Wie bei der Herstellung der Güter unterstützt das Web die Koordination bei der Nutzung der Güter.

Das Potenzial des Web-Business wirkt also sowohl auf den Transaktionsaufwand des Anbieters als auch des Nachfragenden. Auf beiden Seiten wird Information verarbeitet und über das Web ausgetauscht. Beide Partner teilen außerdem den Aufwand miteinander. Der Anbieter stellt seine Produktinformationen in eine Datenbank, die über das Web abgerufen werden kann. Der Nachfragende kann die Daten einsehen und vergleichen. Das ist für beide meist kostenfrei.

Der Anbieter lässt eine Datenbank für die Bestellungen programmieren, mit denen der Käufer den Warenkorb füllt. Beide haben jeweils einen Aufwand, aber praktisch keine Kommunikationskosten. Der Verkäufer stellt über seinen Logistiker aktuelle Daten zum Stand der Versendung bereit, die der Kunde selbstständig abruft. Der Kunde hat den Nutzen und einen Teil der Transaktionskosten, der Händler spart Betreuungskosten und Arbeitszeit ein. Die Summe des Transaktionsaufwands kann zwischen den Partnern verschoben und aufgeteilt werden.

Zwischen den Partnern bietet das Web als kostenloses Medium neue Potenziale für den Direktvertrieb. Der Hersteller kann sich nun direkt mit dem Nutzer über die Erwartungen, Spezifikationen und Rahmenbedingungen der Transaktion verständigen. Das Web-Business bietet alle Kommunikationsmöglichkeiten und überwindet zeitliche, räumliche und kostenmäßige Hürden. Die Bedeutung des Handels als Mittler zwischen den Herstellern und den Anwendern geht zurück.

 

[1] Siehe dazu den ausführlichen Beitrag zu den Struktureffekten in Absatz 4, der beschreibt, wie das Netzwerk zu den positiven Skaleneffekten beiträgt und damit ähnliche Entwicklungschancen offeriert wie die Bestandseffekte, Lerneffekte und Verbundeffekte.

[2] vgl. Wöhe 2000: S.  396 ff.

[3] Lange Potenzialwellen der Kommunikation

[4] Das führt auf das einfache ökonomische Prinzip (Minimal- oder Maximalbetrachtung) zurück.

[5] Hammer und Champy haben dafür den Begriff des Business Reengineering geprägt. Das ist allerdings eine drastische Form zur Verbesserung der Performance. Aus Japan kommt die Managementmethode Kaizen, mit der die Prozesse kontinuierlich verbessert werden. In jeder Methode zur Verbesserung der Prozesse ersetzen aber neue produktivere Verfahren die alten eingefahrenen Methoden. Das Internet ist zweifelsohne eine Innovation, mit der jeder betriebliche Prozess verbessert werden kann.

[6] Das Konzept der Economies of Scale gehört zu den Standardeffekten in der Ökonomik. Eine geringe Potenzialnutzung lässt noch keine großen Erträge erwarten. Erst mit der Steigerung der Produktion und der intensiven Nutzung der Potenziale kann das Unternehmen überproportionale Erträge erwirtschaften.