Optimierungskalküle

Die Optimierung setzt eine Zielgröße voraus, um verschiedene Aktionen zu bewerten. Mit der Grenzbetrachtung werden die Kampagnen oder andere Aktionen verglichen und nach der Rangfolge ausgewählt. Im Web-Business sucht der Anbieter nach Potenzialen, die er für sich erschließen kann. Er wird die Grenzbetrachtung deshalb außerdem für die Bestimmung seiner Position auf der Potenzialkurve verwenden. Die Potenzialkurve als Sättigungsfunktion und die Wachstumsraten als erste Ableitung der Funktion haben den glockenförmigen Verlauf eines Lebenszyklus.

Bei der Optimierung wird nach Aktionen gesucht, durch die das Ergebnis des Web-Business verbessert wird. Je nach Ausgangsbasis und Komplexität wird die Vielzahl der möglichen Aktionen auf praktikables Niveau reduziert, damit die Entscheidungsgrundlagen überschaubar bleiben. Im einfachen Fall werden die Ergebnisse verschiedener Aktionen verglichen und nach einem Kriterium ausgewählt. In der Tabelle Bereiche und Kennzahlen sind typische Vorschläge aufgelistet.

Der Datenkranz ist statisch und die Aktionen sind über die Kennzahlen normiert und vergleichbar gemacht. Die Optimierungsentscheidungen geben dann für die operative Arbeit die Schwerpunkte vor.

 

Fallbeispiel Marketing im Web

Sara Senkel hat ihren Chef nun davon überzeugt, eine Website ins Netz zu stellen und in einem Shop die Herrenmode-Produkte anzubieten. Die Website braucht Besucher, und zwar nicht irgendwelche Besucher, sondern Mitglieder der Zielgruppe, die auf die Website gelangen und eine Bestellung absenden. Das ist für Sabine und ihren Chef die gewünschte Zielaktion.

Als Besucherquellen macht sie die Suchmaschinen, Anzeigen im Web, Verlinkungen von Partnern, Empfehlungen in sozialen Netzwerken, Weiterleitungen aus dem Newsletter oder die direkten Zugriffe von Stammkunden aus, die das Modehaus bereits kennen. Sie organisiert die Aktionen bei den Besucherquellen in Kampagnen und will die Kosten und Zielaktionen miteinander vergleichen. Alle Arbeiten sind mit Personalkosten im Unternehmen oder bei Dienstleistern verbunden. Der Webmaster verursacht Personalkosten zur Erstellung und Pflege des Webshops und der Website und hat dabei außerdem ein Auge auf die Usability, die Gebrauchstauglichkeit des Webauftritts. Der Besucher soll sich auf der Webpräsenz zurechtfinden. Er soll gleich beim Einstieg ein gutes Gefühl und den Eindruck haben, dass er hier mit seiner Anfrage richtig gelandet ist.

Ein anderer Mitarbeiter erstellt den Content für die Webseiten und sorgt für die Aktualisierung der Preise. Da er die Produktbeschreibungen und Sonderaktionen koordiniert, versendet er auch gleich den Newsletter, der einmal pro Woche einen zusätzlichen Schub von Besuchern bringt. Ein Dritter kauft die Besucher von anderen Plattformen ein, schaltet Anzeigen mit Texten, Bildern oder Videos und verabredet Marketing-Partnerschaften. Jede Aktion und jede Kampagne benötigt anderes Know-how und mehr oder weniger Arbeitseinsatz. Für eine kaufmännische Rechnung kommt hinzu, dass die Aktionen nicht unabhängig voneinander sind. Einen Newsletter kann Sabine erst an viele Empfänger verschicken, wenn vorher viele Neukunden über die anderen Bezugsquellen gewonnen wurden.

Sabine stellt sehr schnell fest, dass die Kampagnen mit dem höchsten Arbeitseinsatz auch die teuersten sind und sortiert ihre Aktionen zur Besuchergewinnung jeweils nach der Quote des Arbeitseinsatzes am gesamten Aufwand im Marketing. Sie bezeichnet die Einsätze Arbeit (A) und Wissen (W) als die Inputfaktoren und das Ergebnis die Besucherzahl aus den unterschiedlichen Quellen.

Die Besucherzahl ist aber nur ein Zwischenergebnis, denn sie gewinnt für die Website nach einer Anlaufzeit viele Besucher, allerdings gehen zu wenige Bestellungen ein. Der Chef hat ihr aufgetragen in einem Budgetrahmen von 2.000 € im Monat zu bleiben. Die Plattformen lassen sich die Weiterleitungen als Klickgebühren bezahlen, und Sabine sucht nun nach möglichst billigen oder gar kostenlosen Klicks.

Das ihr zur Verfügung stehende Budget gibt Sabine regelmäßig aus, aber obwohl viele Besucher auf die Webpräsenz gelangen, bleibt der Umsatz trotzdem aus. Deshalb holt ihr Chef den Rat eines Kollegen seines Verbandes der Einzelhändler ein, der bereits seit Jahren einen Shop betreibt.

Dieser erklärt ihm die Bedeutung seiner Zielgruppe, die gerade nach Herrenbekleidung sucht und diesen Begriff in eine Suchmaschine oder ein Verzeichnis eintippt. Der zufällige Klicker hat vermutlich nur Langeweile, aber kein Kaufinteresse. Alle möglichen Interessenten aus den Besucherquellen müssen auf diejenigen reduziert werden, die gerade jetzt eine Bestellung abgeben wollen.

Der Chef gibt also Sara Senkel die neue Vorgabe, das Budget auf solchen Plattformen zu verwenden, die am Ende der Prozesskette möglichst viele Bestellungen tätigen. Die Besucherquellen mit wenig oder gar keinen Bestellungen soll sie absortieren.

Sabine erfasst zunächst, wie viel die Besucher von den Plattformen jeweils kosten und zählt im Anschluss, wie viele Bestellungen aus dieser Quelle stammen. Dann teilt sie die Kosten durch die Anzahl der Bestellungen und erhält eine gute Vergleichsbasis.

Im Controlling werden Überprüfungspunkte festgelegt, anhand derer jeweils die statische Optimierung durchgeführt wird. Das kann eine gewisse Anzahl von Besuchern sein, eine Bestellanzahl, eine Umsatzsteigerung, eine Mitgliederzahl oder jede andere Messgröße, die über den Erfolg oder den Einsatz im Web-Business Auskunft gibt. Mit jeder Optimierungsrunde bewegt sich das Unternehmen einen Schritt weiter auf seinem Expansionspfad. Aus diesen partiellen Optimierungen in einem statischen Datenkranz ist im ganzheitlichen Reporting möglicherweise eine Strategie ex post erkennbar. 

Ex ante lassen sich Strategien in der dynamischen Optimierung abbilden. Hier wird über Leitlinien oder Abläufe von Aktionen, Schwerpunktbildungen oder Expansionsrichtungen, Kostenbudgets oder Kooperationen entschieden. Strategien im Web-Business beginnen bei der Betrachtung der Potenziale, die typischerweise einen längerfristigen Horizont haben. Der Unternehmer passt sich an die Rahmenbedingungen an und verändert sein Güterportfolio, seine Produktionsbedingungen, seine Infrastruktur oder seine Absatzmärkte und Vertriebslinien.

Die Ökonomik bildet das Verhalten der Unternehmer im Web-Business als die Änderungen in den Preisrelationen und Produktivitäten seiner möglichen Einsatzfaktoren (hier Arbeit (A) und Wissen (W)) ab. Reagiert der Unternehmer darauf nicht und bleiben seine Einsatzrelationen starr, schlagen sich die Kosten der Inputs anteilmäßig in den Kosten des Prozesses nieder.[1] Bei einer flexiblen Reaktion und Substitution zwischen den Einsatzfaktoren verändern sich die Anteile in der Kostenfunktion und gehen mit ihren jeweiligen Anteilen in die Gesamtkosten des Prozesses ein. Ein geschicktes Netzwerk-Marketing, Outsourcing, Linkpopularität, Zielgruppensegmentierung, CRM und weitere noch im Detail zu besprechende Know-how-Felder führen zu einer überproportionalen Steigerung der Produktivität des Faktors Wissen oder Informationsverarbeitung.

Mit den Substitutionsmöglichkeiten zwischen Arbeit und Wissen wird allgemein der Fall zweier substitutiver Einsatzfaktoren (-bündel) analysiert. Dies ist eine Fragestellung der neoklassischen Produktionstheorie und wird dort als totale Faktorvariation bezeichnet. Die Fixkosten sind für die Herstellung und die Substitution der variablen Faktoren unerheblich, die Investitionskosten sind mit der Erstellung einer Webpräsenz bereits versunken (Sunk-Costs).

 

Illustrationsbox Kostenminimierung im Web-Business

Das strategische Ziel lautet: Minimiere die (variablen) Kosten unter Nutzung des Webs als Rahmenbedingung (oder Potenzial) und wird formal geschrieben zu:

Formel Kostenminimierung im Web

mit K = Kosten, A = Arbeit, W = Wissen (Information) und V = Virtuelles Gut Die Nebenbedingung sei eine einfache neoklassische Produktionsfunktion:

Formel Kostenminimierung im Web

mit α und β als partielle Produktionselastizitäten (oder einfach als Produktivität) der Inputfaktoren Arbeit und Wissen. Für eine homogene Produktionsfunktion ist die Skalenelastizität (α+ β) = 1 und beschreibt das lineare Wachstum ohne Skaleneffekte.

Die Produktionsfunktion wurde in der Illustrationsbox 3.2 besprochen. Sie gibt die Auswahlmöglichkeiten oder das Potenzial an. Jetzt wird sie mit den Kosten der Einsatzfaktoren verbunden zu dem Optimierungsziel unter allen möglichen Varianten die kostengünstigste zu finden.

Die Exponentialfunktion kann in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt werden. Das unterstellt aber, dass die Rahmenbedingungen im betrachteten Zeitraum gleich bleiben. Das ist die eingrenzende Annahme der Ceteris-paribus-Klausel (Laborbedingungsklausel). Eine weitere idealisierende Annahme bestimmt, dass in den Zeitperioden die Aktionen und die resultierenden Ereignisse gleich bleiben.

In der Anwendung für das Web-Business ist das Herausfinden und Optimieren der wechselnden und erfolgversprechenden Aktionen ein wichtiger Teil der Strategie. Damit ist die Wachstumsfunktion nicht mehr von der Zeit abhängig, sondern von den Aktionen, die das Ergebnis herstellen. Mit den Aktionen werden Potenziale erschlossen und genutzt, die grafisch zum Absatz oder der kumulierten Wertschöpfung in Beziehung gesetzt werden.[2]

Die Sättigungskurve visualisiert die Ausschöpfung einer Ressource. Für das Beispiel des Web-Business kann das beispielsweise ein Marktanteil, eine Kundengruppe, ein Klickvolumen, ein Ertragsziel sein. Typischerweise gibt es mehrere Teilmärkte, Kundensegmente oder Kampagnen, zwischen denen der Unternehmer wählen kann. Im Hinblick auf die Konzentration der Optimierung auf einen Teilmarkt wird von einer Partialanalyse gesprochen, bei der alle anderen Varianten außerhalb der Betrachtung bleiben oder als konstant angenommen werden.

Der Wendepunkt in der Potenzialkurve ist weniger offensichtlich zu erkennen als im zugehörigen Kurvenverlauf der Wachstumsraten. Aus der 1. Ableitung der Potenzialkurve resultiert die Glockenkurve der Wachstumsraten, die ihr Maximum am Wendepunkt der Potenzialkurve hat. Ist hinsichtlich der Sättigungskurve noch immer eine Steigerung über den Wendepunkt hinaus erkennbar, weist die Glockenkurve darauf hin, dass der Zenit für die Erschließung dieses Teilmarktes oder Segmentes bereits überschritten ist. Die Wachstumsraten nehmen ab. Die Suche nach einem neuen Betätigungsfeld sollte schon so erfolgreich gewesen sein, dass die neuen Aktivitäten mit den neuen Potenzialen und steigenden Wachstumsraten in das Portfolio übernommen werden können.

Die Glockenkurve ist ein prägnantes Bild der Entwicklungstheorie: Nichts währet ewiglich. Daraus abgeleitet ist die S-Kurve ein ebenso überzeugendes Bild: Alles strebt einer natürlichen Grenze zu. Beide Funktionen lassen sich ineinander überführen, denn die S-Kurve ist nur das Integral unter der Glockenkurve. Beide Entwicklungen beschreiben dasselbe Phänomen. Die Glocke sagt aus: Etwas wird, wächst, hat eine Reife und vergeht. Die S-Kurve zeigt: Die Ressourcen sind begrenzt und ihre Ausschöpfung wird gegen Ende schwieriger, deshalb geht dem Prozess das Potenzial aus. Der Wendepunkt der Ressource ist die Reifephase des Lebenszyklus.

In der Anwendung auf das Web-Business visualisiert die Glockenkurve den Eintritt in neue Aktivitäten, die frühzeitig erkannt und umgesetzt werden können. Die Wachstumsphase ist durch steigende Grenzerträge gekennzeichnet, die ein besonders reizvolles strategisches Betätigungsfeld darstellen.[3] Die Aktionen im Web-Business werden danach geordnet und ausgewählt, wo ungenutzte Potenziale in der Wachstumsphase angesprochen werden können. Die Reifephase mit stagnierenden Wachstumsraten gibt klare Ausstiegssignale. 

Im Detail weist jedes Unternehmen im Web-Business eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten auf, die nach ihren Wachstumschancen beurteilt werden. Je nach Betrachtungsweise geben die Glockenkurven über das Wachstum und die damit zusammenhängende Potenzialkurve einerseits einen Pfad zur Ausschöpfung dieses Potenzials vor. Andererseits lassen sie auch einen Vergleich des Fortschritts der einzelnen Aktivitäten auf ihrem jeweiligen Pfad zu.

 

[1] Siehe dazu die linear additive Kostenformel für Ko, in der bei starren Einsatzrelationen die Preise nur über den Anteil des jeweiligen Einsatzfaktors in die Kosten des Prozesses eingehen.

[2] Illustrationsbox Potenzialkurve

[3] Wohingegen die traditionelle Ökonomie sich vorwiegend mit dem Bereich der Reife beschäftigt. In dieser Phase ist der Markt mit Wettbewerbern gefüllt, die Preise spielen eine dominierende Rolle, die Grenzkosten steigen und die Kostenminimierung ist das beherrschende Ziel im Unternehmen.